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Gegen ein Gender-Verbot an Sachsen-Anhalts Schulen

Lehramtsstudierende übergaben Offenen Brief

Fast 550 Lehramtsstudierende der Universität Halle haben einen Offenen Brief an das Bildungsministerium verfasst, in dem sie die Möglichkeit, eine geschlechtersensible Sprache an den sachsen-anhaltischen Schulen zu verwenden, fordern.

Ein Verbot der geschlechtergerechten Sprache diskriminiere Lehrende und Lernende und habe eine ideologische Färbung, daher verlangen die angehenden Lehrkräfte eine Aufhebung des Genderverbotes und somit eine freie Sprachwahl zuzulassen. Anlass war ein Schulleiterbrief Feußners im Herbst, in dem die Anwendung der geschlechtergerechten Sprache mit Sonderzeichen wie dem Gender-Sternchen oder das Binnen-I verboten wurde.

Am 16. Februar hat die Initiative, vertreten durch Judith Rahmig, Julia Becker, Henriette Kempfert und Daniel Pöhl, in Anwesenheit von Pressevertreter*innen und der GEW-Landesvorsitzenden Eva Gerth den Offenen Brief in den Postkasten des Bildungsministeriums geworfen, da das Ministerium keine persönliche Übergabe gewünscht hatte.

 

Offener Brief von Lehramtsstudierenden gegen ein Gender-Verbot an Sachsen-Anhalts Schulen

Sehr geehrte Frau Ministerin Feußner, sehr geehrter Herr Ministerpräsident Haseloff, dass die aktuelle personelle Lage an den sachsen-anhaltinischen Schulen mehr als prekär ist und somit die Bildung tausender Schülerinnen und Schüler gefährdet, ist kein Geheimnis. Dass aber zur gleichen Zeit Maßnahmen getroffen werden, die (angehende) junge Lehrkräfte aus dem Bundesland heraustreiben, ist empörend.

Nachdem Sachsen bereits ein Gender-Verbot im schulischen Bereich eingeführt hat, hat das CDU-geführte Bildungsministerium in Sachsen-Anhalt nun nachgezogen und verbietet Lehrenden wie auch Lernenden, mit Sonderzeichen zu gendern. Nicht nur ist dies fast sarkastisch, nachdem Mitglieder der CDU selbst anderen Parteien vorwerfen, sich zu „Verbotsparteien“ zu entwickeln.  

Auch erscheint der Hinweis, die Regelung sei rein grammatikalisch begründet, vor dem Hintergrund der aktuellen stark politisch aufgeladenen Debatte um geschlechtersensible Sprache, die u. a. in zwei Landkreisen Sachsen-Anhalts bereits Genderverbote in Behörden mit sich zog, wie ein Vorwand. Tatsächlich scheint es, als wäre die Regelung stark ideologisch gefärbt und als stelle sie eine Antwort auf populistische Tendenzen in der Gesellschaft dar.

Dabei sollte gerade der CDU ihre entscheidende Rolle als letzte Bastion im Kampf für Demokratie und gegen die AfD in Sachsen-Anhalt bewusst sein. So stellt sich die Frage, wie es sein kann, dass sich die CDU selbst nun populistischen Maßnahmen bedient, welche stark an die AfD erinnern. Wie ist es möglich, dass sie rechtliche Mittel einsetzt, die Unverständnis gegenüber unterschiedlichen Lebensrealitäten schüren und somit ein Klima der Intoleranz an  unseren Schulen fördert, das unsere künftigen Wahlberechtigten für rechte Ideologien empfänglich macht? Wie kann es sein, dass sie nicht nur non-binäre Menschen, sondern auch potenzielle Lehrkräfte, die sich ihre Art zu reden nicht vorschreiben lassen möchten, förmlich aus Sachsen-Anhalt herausekelt? Dass sie Sachsen-Anhalt auch als Arbeitsstandort für angehende Lehrende aus anderen Bundesländern unattraktiv macht? Denn was Sie bei  dem Beschluss des Verbotes augenscheinlich nicht beachtet haben, sind die Konsequenzen, die dieser mit sich führen kann: Bereits im  Gespräch mit anderen Lehramtsstudierenden wird deutlich, dass für viele bei der Wahl des künftigen Arbeits- und Lebensortes  Sachsen-Anhalt nun wegfällt, da eine ideologisch anmutende Bildungspolitik für uns schlicht nicht tragbar ist.

 Aus diesem Grund fragen wir Lehramtsstudierenden Sie: Wollen Sie wirklich einen großen Teil der angehenden progressiveren  Lehrkräfte aus dem Land treiben, sodass das Klima an den sachsen-anhaltischen Schulen letztendlich gänzlich rückwärtsgewandt wird? Sodass nicht nur Wahlberechtigte, die der AfD etwas entgegenhalten könnten, sondern auch qualifizierte Fachkräfte potenziell in die alten Bundesländer abwandern? Sodass die Pluralität in Sachsen-Anhalt immer weiter abnimmt?

Viele von uns Lehramtsstudierenden stammen aus Sachsen-Anhalt oder anderen ostdeutschen Bundesländern und/oder würden diese gerne mitgestalten und uns hier unser weiteres Leben aufbauen. Ihre Politik treibt uns jedoch förmlich aus unserer (Wahl-)Heimat heraus. Denn egal, wie man persönlich zum Gendern steht: Ein Verbot ist schlicht unmäßig, diskriminiert nicht-binäre Lernende wie auch Lehrende, schränkt uns in unserem Sprachgebrauch ein und gibt der Bildungspolitik eine stark ideologische Färbung. Wir fordern Sie aus diesem Grund auf, das faktische Gender-Verbot an Schulen aufzuheben und uns so die Möglichkeit zu geben, unseren zukünftigen Beruf uneingeschränkt in Sachsen-Anhalt auszuüben.

Denn ein Land, das aufgrund von Lehrkräftemangel bereits die   wöchentliche Stundenanzahl seiner Lehrkräfte erhöhen und Stipendien ausschreiben muss, um die Bildung unserer Kinder und  Jugendlichen zu garantieren, kann es sich schlicht nicht leisten, den  Arbeitsplatz für junge Lehrende noch unattraktiver zu gestalten. In der Hoffnung, dass #moderndenken in Sachsen-Anhalt zukünftig  nicht nur ein leerer Slogan bleibt,

546 Lehramtsstudierende der Universität Halle

 

Verfasst von folgenden Lehramtsstudierenden: Henriette Kempfert  (Vorsitzende des Fachschaftsrats Neuphilologien), Daniel Pöhl,  Julia Becker, Sophie Fichtel, Anna-Luise Pohl Mitverfasst und unterstützt von folgenden Fachschaftsräten:  Fachschaftsrat Pädagogik, Fachschaftsrat Neuphilologien (Lehramtsfächer Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Russisch,  Italienisch), Fachschaftsrat Philosophische Fakultät I (Lehramtsfächer Geschichte, Sozialkunde, Ethik, Philosophie), Fachschaftsrat  für Geowissenschaften & Geographie (Lehramtsfach Geographie),  Fachschaftsrat Musik Sport Medien Sprechwissenschaft (Lehramtsfächer Sport, Musik), Fachschaftsrat Chemie (Lehramtsfach Chemie), Fachschaftsrat Theologie (Lehramtsfach Religion), Fachschaftsrat  Kunst (Lehramtsfach Kunst)

Was hältst du von dem Verbot der geschlechtergerechten Sprache an Sachsen-Anhalts Schulen? Teil uns deine Meinung als Leserbrief per E-Mail an redaktion(at)gew-lsa(dot)de mit.